Abschied

Am fünften Sonntag nach Robins Geburt konnten wir endlich seine Trauerfeier machen. Mit den Behördengängen, da erst seine Geburtsurkunde erstellt werden musste und danach dann noch die Sterbeurkunde, hat das länger gedauert als bei Luis. Dann kam er zum Krematorium und wir haben gewartet, bis wir seine Urne bekamen.
Sie sollte an einem Donnerstag kommen. Aus der Schweiz, in einem Päckchen.
Wir haben einen Bestattungsort in der Schweiz erworben. An dem Donnerstag wollten wir ins Allgäu fahren, die ganze Familie gemeinsam. So waren wir alle abfahrbereit und saßen im Wohnzimmer, auf die Post wartend.
Auf Robins Urne wartend. Dann kam sie. Ein komisches, unangenehmes Gefühl, ein Paket auf zu machen, wo man weiß, dass die Urne des Kindes darin ist. Irgendwie hatte ich mich aber auch gefreut, dass sie endlich da ist. Ich weiss wo sie ist und irgendwie ja auch Robin. Und dann hielt ich sie in meiner Hand. Schwerer als ich dachte.
Vom Gewicht und vom Gefühl.Das ist irgendwie alles, was von meinem kleinen Baby übrig geblieben ist. Asche.
Eine Urne voll Asche.
Mir wird bewusst, dass ich meinen Robin definitiv nie wieder in den Arm nehmen kann. Keinen einzigen Kuss mehr. Eigentlich weiß ich, dass das davor auch schon nicht mehr ging, nicht erst jetzt, in diesem Moment. Aber jetzt ist es so endgültig. Und dieses „Endgültige“ hielt ich selbst so vor mir, um es zu begreifen.

Es war eine komische Stimmung. Ich versuchte es mit Humor aufzulockern, sagte „Schau mal Robin, wir sind bei Oma und Opa, soll ich dich mal durchs Haus führen?“
Hmm, ok, die Urne ist da, dann fahren wir jetzt los. Soll ich sie mitnehmen? Muss ich sie mitnehmen? Also ich hab die Urne im Wintergarten bei meinen Eltern auf den Tisch gestellt und wir sind dann ins Allgäu gefahren. Einerseits ist da natürlich schon Robin drin, aber das sind nur seine sterblichen Überreste. Für mich ist mein Baby bei seinem Bruder und seinen anderen Verwandten irgendwo im Himmel, spielt mit Luis und anderen Sternenkindern, während die Erwachsenen aufpassen.
Irgendwie ist er aber auch immer bei mir. Seine Seele steckt nicht in dieser Urne! Diese Urne ist nicht mein Baby. Also kann ich sie auch einfach zuhause lassen und wegfahren. Das musste ich mir selbst kurz so sagen.

Die Tage im Allgäu waren ganz arg schön. Wir standen auf einem Berg, oben auf der Spitze und haben so in die Ferne geschaut. Das Wetter war gut, ein paar Schäfchenwolken am blauen Himmel. Ich dachte an Luis und Robin und war mir sicher, dass sie mit uns da oben auf dem Berg waren. Ich hätte es mir auch gut vorstellen können, in diesem Moment die Asche von Robin dort zu verstreuen und „fliegen“ zu lassen.

Dann war der Tag der Trauerfeier.
Ich hatte meinen Opa gefragt, ob er ein paar Worte sagen würde, was, stand ihm frei. Meine kleine Schwester, wollte ich, dass sie ein Gedicht vorliest. Ich hab mich für „Still, seid leise“ (Autor unbekannt) entschieden in einer Jungen-Version.

Still, seid leise,
es war ein Engel auf der Reise.
Er wollte ganz kurz bei euch sein,
warum er ging, weiß Gott allein.
Er kam von Gott, dort ist er wieder.
Er sollte nicht auf unsre Erde nieder.
Ein Hauch nur bleibt von ihm zurück.
in eurem Herz ein großes Stück.
Er wird für immer bei euch sein
vergesst ihn nicht, er war so klein.
Geht nun ein Wind an mildem Tag,
so denkt: Es war sein Flügelschlag.
Und wenn ihr fragt: Wo mag er sein?
So wisst: Engel sind niemals allein.
Er kann jetzt alle Farben sehn,
und barfuss durch die Wolken geh’n
Bestimmt lässt er sich hin und wieder
bei anderen Engelkindern nieder.
Und wenn ihr ihn auch sehr vermisst
und weint, weil er nicht mehr bei Euch ist,
so denkt: Im Himmel, wo es ihn nun gibt
erzählt er stolz: Ich werde geliebt!

Wir hatten die Terrasse bei meinen Eltern vorbereitet, dort wollte ich dass es statt findet. Ich hatte mir ein schönes Beisammen sein mit Andenken an Robin vorgestellt. Ungezwungen und Jeder so, wie es sich für ihn richtig anfühlte. Man musste nicht in schwarz kommen, ich wollte dennoch ein schönes schwarzes Kleid anziehen. Es war 15:15 Uhr und die Leute trudelten ein. Ich hatte sie gebeten um 15:30 alle da zu sein, dass wir eine Art kleine Zeremonie zuerst machen konnten und dass da kein Kommen und Gehen ist.

Als die Leute kamen und mir zur Begrüßung alle mitfühlend den Rücken streichelten war es mir zu viel. Ich dachte, das schaff ich nicht. Ich möchte hier für diesen Anlass gar nicht sein. Ich möchte keine Worte zum Andenken an mein Baby vorlesen, ich möchte allen mein Baby präsentieren, es hoch fliegen lassen und umher reichen, dass alle mein schönes Baby mal halten und sehen können.
Ich will heim. Ich will mich in mein Bett legen und alleine weinen. Ich möchte nicht von allen so angeschaut werden. Erwarten sie, dass ich in Tränen ausbreche? Was, wenn nicht? Bin ich dann kalt und herzlos? Erwarten sie, dass ich stark bin und stark bleibe? Was, wenn nicht? Bin ich dann schwach? Es ist mir zu viel. Ich kann das nicht. Ich werde kein Wort heraus bringen und bestimmt wird es von mir erwartet.

Nein! Ich bleibe! Ich bleibe, weil ich stark bin! Und sie schauen mich so an, weil sie mitfühlen und weil sie auch traurig sind. Traurig, dass sie Robin nicht kennenlernen konnten wie ich und traurig, dass ich das durch stehen muss. Und ich darf weinen, ich muss aber nicht. Es kommt wie es kommt. Ich möchte meine Worte vorlesen. Für Robin. Und alle sind hier um mir bei zu stehen und für Robin.
Ein Fest für Robin. Das Einzige das ich für ihn organisieren kann. Und alle sind wegen ihm zusammen gekommen.

Opa hat seine Worte vorgelesen, ich war so glücklich darüber, er ist einfach der aller Beste, ich liebe ihn so sehr und er ist so ein herzensguter Mensch! So weise, herzlich, warm und stark, auch er hatte bei seinen Worten einen großen Kloß im Hals. Alischa hatte sich das Gedicht wahrscheinlich tausend mal durch gelesen, konnte es schon auswendig, aber mit Tränen unterlaufenen Augen und schluchzen las sie so tapfer für Robin und für mich dieses Gedicht vor. Wir hielten uns gegenseitig als wir unsere Worte vortrugen. Alle waren sehr traurig. Ich spielte noch das Lied „I can’t help myself“ von der Kelly Family vor. Drei Tage nachdem wir die schlechten Nachrichten bekamen, war ich mit Papa auf dem Kelly Family Konzert und obwohl ich schwangerschafsbedingt todmüde und nach der Nachricht todtraurig war, stand ich die zwei und halb Stunden Konzert durchgehend tanzend auf meinem Stuhl. Ich war froh das mit Robin in meinem Bauch gemeinsam zu machen, dankbar dafür, dass ich ihn in meinem Bauch haben konnte und ihn so schön spüren konnte. Und das Lied hatte mich dabei sehr berührt. Eigentlich ist es ein Liebeslied, aber der Text hat trotzdem so gut gepasst.

Nach dem Lied sind wir auf die Dachterrasse und haben Luftballons zu Robin in den Himmel geschickt. Danach wollte ich, dass wir alle froh sind und glücklich, dass wir Robin hatten, dass er bei uns war, sich für uns entschieden hat und wir die Zeit die wir mit ihm hatten genossen haben.

Am Ende das Tages war ich wirklich sehr erschöpft, aber glücklich, dass ich so einen schönen Tag für Robin organisieren konnte.

Als nächstes kommt „Schwangerschaft mit Robin“ ich schreibe seit Wochen daran, Stück für Stück, das geschehene zu verarbeiten. Nur ist das noch nicht so einfach.

Ein Gedanke zu “Abschied

  1. So. Nachdem ich mir nun ein paar Tränen weggewischt habe …. : „Was seid ihr für ein tapferes und tolles Paar!“ Ich bedaure euer beider Verlust wahnsinnig. Aber ich bin kein Mensch des großesn Beileids. Das war ich noch nie. Ich bin eher der Typ, der gern glaubt, dass alles einen Sinn hat. Einem Zweck dient. Nicht immer einem höheren, aber eben auch nichts umsonst ist oder passiert. Dass am Ende, wenn man bereit dazu ist den Weg weiter zu gehen, etwas Gutes auf einen wartet. Die Belohnung für die Mühen sozusagen. Die nicht immer so aussieht, wie man es sich vielleicht im derzeitigen Augenblick wünschen würde. Aber dennoch gut. Daher hoffe ich, dass ihr zwei euren Weg weiter gehen werdet. Trotz aller Ängste, die euch sicherlich begleiten werden und vorallem, so lange ihr stark genug dazu seid. Alles Liebe und einen netten Gruß. Tally ❤

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