Februar 2018
Nach dem Ergebnis der Untersuchung war ich erstmal ein paar Tage zuhause geblieben. Einfach nur zuhause auf der Couch und Fern schauen.
Ich hab nichts anderes gemacht.
Ich war nicht in der Lage irgendwas anderes zu tun.
Micha hat mich mit Essen versorgt. Ich hatte keinen Hunger. Ich hatte keine Lust zu irgendwas. Ich vegetierte 3 Tage nur vor mich hin. Sonntag musste ich mich dann aufraffen. Micha und ich waren auf eine kleine Geburtstagsrunde von meiner Cousine eingeladen. Jeder hätte verstanden, wenn wir abgesagt hätten, aber es war gut, aus dem Haus zu kommen und so gab es auch einen Grund sich mal wieder frisch zu machen. Das war nötig. Ich wollte eigentlich auch raus gehen und nicht so auf der Couch verkommen.
Ich wollte doch die Schwangerschaft so lange ich konnte genießen! Robin in meinem Bauch ein gutes Gefühl geben. Ihn wissen lassen, dass er willkommen ist und schon jetzt so sehr geliebt wird. Ich wollte nicht, dass er merkt, dass ich deprimiert oder traurig bin. Also gingen wir los. Wir werden den Rest der Schwangerschaft genießen!!
Ohne zu wissen, wie lang sie gehen wird.
Als wir am Restaurant ankamen, wollte ich, dass alles so normal wie möglich ist. So, als hätten wir nicht diese schlechten Nachrichten ein paar Tage vorher bekommen. Ich wollte nicht, dass es an diesem Abend um Robin und mich ging, sondern nur um das Geburtstagskind. Als begrüßte ich alle ganz herzlich, mit einem Lächeln im Gesicht. So ganz normal war es aber trotzdem nicht, da alle Bescheid wussten und niemand so recht, wie man sich begegnen soll.
Es war ein schöner Abend, auch wenn meine Schwangerschaft kurz Thema war und auch einen Moment die Tränen flossen. Ich war immer noch glücklich schwanger zu sein, ich hatte aber große Angst vor dem, was ich nun wusste, was auf mich zu kam.
An Valentinstag hatte ich meinen ersten Termin bei meiner neuen Hebamme. Sie ist auf Hausgeburten spezialisiert und ich hatte sie per Email gefragt, ob sie auch stille Geburten betreuen würde. Der Termin war wirklich gut. Ich war 3 Stunden bei ihr und sie hat sich ganz viel Zeit für uns genommen. Wir haben viel gesprochen, ich hab ihr von Luis erzählt, was ich zur Zeit so treibe, einfach nichts, und wie ich mir die nächsten Tage, Wochen, Monate so vorstelle. Ich hab mich sehr gut aufgehoben gefühlt bei ihr. Doris hörte und fühlte noch meinen Bauch ab und hatte nichts dagegen einzuwenden, Robin noch etwas Zeit bei mir zu geben.
Neben meiner Hebamme, war ich parallel auch noch alle ein bis zwei Woche bei meiner Frauenärztin. Ich wollte im Ultraschall schauen, wie sich Robin entwickelt, ob es ihm gut geht. Bis jetzt entwickelt er sich ganz normal und es geht ihm sehr gut. Er ist sehr aktiv, bewegt sich viel. Robin und ich sind noch nicht bereit voneinander los zu lassen.
Von meiner Hebamme habe ich die Beratungsstelle PUA (Beratungsstelle der Diakonie für Pränatale Untersuchungen und Aufklärung) empfohlen bekommen. Ich wollte alleine dort hin gehen und ich wusste überhaupt nicht, was da auf mich zu kommen würde. Ich wurde dort sehr herzlich empfangen und es war eine ruhige Stimmung. Die Frau dort fragte mich, wieso ich zu ihr komme und mit welchen Erwartungen. Ich sagte ihr ganz ehrlich, dass ich eigentlich ohne Erwartungen und auf Empfehlung meiner Hebamme zu ihr kam. Ich hatte mir die Internetseite schon durchgelesen, wusste aber trotzdem nicht, was mich dort erwarten würde.
Wir stellten uns erstmal gegenseitig vor. Sie hat Schweigepflicht und ist, trotz Diakonischem Hintergrund ganz neutral. Die Beraterin stellte mir eigentlich nur ein paar Fragen.
„Wie ist die erneute Diagnose für Sie?“
Hm. Es ist wieder unglaublich schwer und unbegreiflich. Ich wollte mich darauf einstellen, ich hab aber weniger damit gerechnet. Ich dachte, es würde alles gut gehen diesmal. Es hat mir aber weniger den Boden unter den Füßen weg gezogen als letztes Mal. …und diesmal weiß ich besser, was die Diagnose bedeutet. …
…
„Möchten Sie die Schwangerschaft jetzt beenden?“
Nein. Will ich nicht. Und kann ich nicht. Ich kann nicht das Leben meines Babys beenden, wo es ihm im Moment so gut bei mir geht. Und das will ich auch auf keinen Fall. Wenn ich für mich selbst jetzt eine 100% tödliche Diagnose bekommen würde, dann wollte ich auch nicht jetzt sterben, wo die Krankheit noch gar keine Auswirkungen auf meine Gesundheit hat und es mir noch blendend geht. Das wäre doch schwachsinnig… ich würde die Zeit, solange es mir gut geht, doch so gut wie möglich genießen und nutzen. Das möchte ich meinem Baby auch geben, diese Zeit, die Schwangerschaft ist das einzige was wir gemeinsam haben. Und ich bin eine Mama, welche Mama tut nicht alles für ihr Baby. Ich genieße die Zeit die wir haben, ich nehm sie mir und ich gebe sie meinem Robin!
…
„Was würden Sie machen, wenn Robin in der 40. SSW noch lebend zur Welt kommt?“
Darüber hab ich schon intensiv nachgedacht und auch mit Micha gesprochen. Ich denke, dass das unglaublich schwer werden würde, wir aber auf keinen Fall Robin an lebenserhaltende Maßnahmen anschließen würden. Ich möchte für mich persönlich keine lebenserhaltende Maßnahmen, wenn ich von selbst nicht mehr leben kann. Da ich in dem Fall für mein Baby entscheiden muss, würde ich so entscheiden, wie für mich selbst. Ich würde wollen, dass Robin zu keinem Zeitpunkt Schmerzen hätte, ich würde ihn dann gehen lassen müssen. Ich will nicht egoistisch sein und ihn unbedingt für mich am Leben halten. Ich wünsche mir aber und hoffe wirklich darauf, dass es zu diesem Moment nicht kommen wird. Das ist so schlimm, diesen Gedanken zu haben und es ist so schlimm, weil es so egoistisch für mich ist. Ich hoffe sehr, dass Robin irgendwann vor dem Entbindungstermin selbst entscheidet zu gehen und mir das alles abnimmt. Niemand kann sich vorstellen wie einen der Gedanke zerreißt, dass man hofft, dass sein Baby im Bauch bald von selbst geht … stirbt!
Nach einigen Fragen und einem langen Gespräch sagte Sie zu mir, dass sie noch nie eine Frau oder ein Paar hier sitzen hatte, die so bei sich selbst und sich so bewusst waren, wie ich. Sie würde mich mit einem sehr guten Gefühl aus dem Gespräch entlassen und hofft bald wieder von mir zu hören, mit positiven Neuigkeiten. Ich könne mich jederzeit bei ihr melden und auch noch weitere Gespräche ausmachen.
Ich weiß, dass die Schwangerschaft wieder keinen guten Ausgang haben wird. Ich werde wieder nicht mit meinem Baby das Krankenhaus verlassen und die Kennenlernzeit mit ihm zuhause genießen. Mein Robin wird mich nicht die Nächte wach halten, weil er Hunger hat oder Bauchschmerzen oder einfach ohne erkenntlichen Grund weint. Mein Robin wird mich mit meiner Trauer und meinen eigenen Tränen wach halten und irgendwie anders immer bei mir sein.
Fast niemand hat meine Entscheidung, so lange abzuwarten, wie es geht, verstanden. Das Problem war nur, dass sie nicht verstanden haben, dass sie das nicht verstehen müssen, sondern einfach nur akzeptieren! Jeden Tag den ich abgewartet habe und den Tag schwanger genossen habe, wurde mir oder den Menschen in meinem engeren Umfeld die Frage gestellt, wann ich das alles denn endlich beenden würde und aufhöre das heraus zu zögern. Es würde doch von Tag zu Tag nur schlimmer werden.
Nein! Ihr habt doch alle keine Ahnung! Ihr seid nicht in meiner Situation! Ich weiß ganz genau was ich tu! Egal wie viele Kinder ihr bekommen habt, egal wie oft ihr schwanger wart, ihr wisst nicht was für Robin und mich das Beste ist.
Niemand, der nicht mit einem sterbenskranken Baby schwanger war, kann mir sagen, was für mich das Richtige ist. Ich bin in genau dieser Situation leider zum zweiten Mal. Ich weiß, was beim ersten Mal nicht der richtige Weg für mich war. Es ging damals alles viel zu schnell. Diesmal nehme ich die Zeit, die ich habe. Und ihr hättet mir helfen können, diese Zeit zu einer schönen zu machen, anstatt mich zu ärgern.
Ich weiß, dass es alle nur gut gemeint haben, dass sie mich „schützen“ wollten, nur das Beste für mich.
Zwischendurch war ich schwanger noch auf einem Geburtstag von meinem Cousin. Micha wollte zuhause bleiben, ich fragte ihn ob ich bei ihm bleiben soll, aber es war ok für ihn, dass ich gegangen bin. Für ihn war es in dem Moment besser, zuhause zu bleiben, ihm war es zu viel, auf den Geburtstag zu gehen, alle haben das verstanden. Ich hatte Lust dort hin zu gehen, unter die Leute gehen und gestärkt aus dem PUA-Gespräch, blieb ich einfach bei mir und konnte gut über Robin und mich sprechen. Wie ich mir alles vorstelle. Und ich wurde so herzlich empfangen. Alle freuten sich, dass ich da war und es tat einfach so gut, die Unterstützung der Familie zu haben. Zu sehen, wie sie sich alle mit mir freuten, als ich ihnen sagte, dass ich wieder schwanger war, zu sehen, dass sie sich auf Robin freuen. Und jetzt zu sehen, dass sie genauso traurig sind, dass sie Robin nie richtig kennen lernen können. Robin existiert für sie, es ist nicht nur eine missglückte Schwangerschaft. Genau das war, was ich für ihn wollte! Ich wünschte so sehr, ich hätte das auch Luis so gegeben.
Ich gehe weiter zu den Ultraschall Untersuchungen und freue mich ihn zu sehen.
Ich genieße die Tage, es geht ihm gut. Wir machen nur was uns Freude bringt. Die ersten Tage nach dem Ergebnis war es mir zu viel, meine Neffen zu sehen, mittlerweile konnte ich wieder gut Zeit mit ihnen verbringen und die kindliche Unbeschwertheit hat mich aufgemuntert. David, der ältere Neffe (2 Jahre) wusste schon, dass ich schwanger war, weil wir ihm erklärten, warum er nicht mehr auf meinem Bauch herum hüpfen kann. Er fragte immer wieder nach Robin und wann er denn endlich kommen würde und mit ihm spielen kann. Ich sprach viel mit ihm über Robin und ich fand das schön.
💗💛🧡
LikeGefällt 1 Person
Hallo Nadine, ich habe deine Geschichte bei Instagram das erste Mal entdeckt und bin dir auf deinen Blog gefolgt. Ich bewundere dich. Ich selber musste -gottseidank- niemals etwas dergleiches durchmachen. Ich bin vor fast 5 Monaten Mama geworden. Jedoch habe ich ein Sternengeschwisterchen, von dem aber in unserer Familie nicht gesprochen wird. Meine Mutter musste damals in Amerika entbinden und da läuft das etwas anders ab. Wir wissen nicht einmal welches Geschlecht es hatte, dabei war sie schon im 6. Monat. Es wurde direkt in den Müll Geworfen und meine Mutter musste nach der Geburt direkt gehen. Naja, ich schweife ab. Dadurch daß meiner Mutter das wiederfahren ist, habe ich mich die ganze Schwangerschaft damit beschäftigt „was wäre wenn“. Ich bin bei dir; ich hätte es denke ich genauso gemacht wie du. Jede Sekunde genießen wo es dem Bauchzwerg gut geht, es ist die einzige Zeit die man hat. Robin wird deine Liebe gespürt haben, ja und Luis auch. Du hast das richtige gemacht. Du bist eine tolle Mama! Ich denke an euch und gleich werde ich mit meiner Tochter, für deine Söhne eine Kerze anzünden. Fühl dich unbekannterweise gedrückt.
LikeLike
Es tut mir leid, natürlich auch Filip. Ich hatte ihn nicht vergessen. Die Kerze leuchtet.
LikeLike
Danke dir! Das ist ganz arg lieb!
LikeLike