Februar 2018
Ich gehe weiterhin regelmäßig zu meiner Frauenärztin, fast jede Woche. Sie vermisst Robin jedes Mal ganz genau. Der Kopf beginnt in der 16. SSW unverhältnismäßig größer zu werden. In der 17. Woche war der Kopf einundhalb Wochen weiter. Die Oberschenkel waren zwei Wochen zurück. Der Rest sah eigentlich normal aus. Sie sagte, wenn wir die Diagnose nicht schon hätten, würde sie jetzt im Ultraschall sehen, dass etwas nicht stimmt und mich zur Feindiagnostik schicken. Man sieht schon deutlich die hervorstehende Stirn. Bei Achondroplasie wird sie als Balkonstirn bezeichnet, wobei ich meine, dass meine Stirn jetzt nicht so außergewöhnlich aussieht. Wir erkannten den „eingedrückten“ Nasenrücken, der auch typisch für unseren Kleinwuchs ist, die sogenannte Sattelnase.Ich war in der 19. SSW als meine Frauenärztin meinte, dass die doppelte Dosis Kleinwuchs nun doch sehr deutlich zum Vorschein kommen würde. Der Kopf war schon drei, fast 4 Wochen weiter. Also in zwei Wochen hatte sich der Unterschied verdoppelt. Die Oberarme und vorallem die Oberschenkel waren eigentlich seit der 16. SSW nicht weiter gewachsen. Bei den Oberschenkel schwankte diese Messung irgendwie immer sehr. Manchmal sah es fast normal aus, manchmal deutlich verkürzt. Mir kam das komisch vor, meine Mutter und die Frauenärztin meinten, dass das bei so kurzen Beinchen sein kann, wenn der Winkel nur minimal anders ist, kommt direkt ein ganz anderer Wert heraus. Das war für mich nicht aufmunternd. Kann dann ja sein, dass sie alles im falschen Winkel misst. Aber der Kopfumfang, die Nase und die Stirn waren sehr deutlich zu erkennen, dass sie nicht normal waren. Dann kam da noch hinzu, dass der Brustkorb sehr klein und sehr eng war. Der Bauch hingegen war im Umfang deutlich größer, als eigentlich sein sollte. Sie meinte, dass das käme weil der Brustkorb so eng ist und die Organe weiter runter in den Bauch gedrückt werden. Und die Lunge ist ja im Bauch noch nicht entfaltet. Sie könnte sich so aber auch gar nicht entfalten. War es dann jetzt so weit? Ich hatte große Angst, dass Robin seine Einschränkungen bald selbst zu spüren bekommt. Wie lange kein sein winziges Herzchen so noch arbeiten. Wie schnell wächst sein Kopf so weiter? Wie lang kann ich ihn noch auf natürlichem Wege entbinden. In den kommenden Schwangerschaftswochen wachsen die Babys im Bauch eigentlich unheimlich schnell. Wachsen seine Organe und sein Kopf so schnell weiter? Ich bekam kurz Panik. Bin ich bereit, Robin gehen zu lassen? Muss ich ihn jetzt gehen lassen? Sollte ich ihn gehen lassen? Meine Frauenärztin meinte, dass es vielleicht bald Zeit wäre, es ihm jetzt in dem Moment aber noch gut geht und ich jetzt nicht sofort ins Krankenhaus rennen müsste. Die kurzen Arme und Beine oder der große Kopf machte mir kaum Sorgen. Der enge Brustkorb aber sehr.
März
Ich behielt das alles im Hinterkopf, wollte aber weiterhin nicht durchdrehen. Nicht mich und nicht Robin verrückt machen. Ich feierte noch meinen Geburtstag. Ich hatte eigentlich eine kleine Runde Zuhause geplant, aber Micha überraschte mich mit einem Überraschungsbrunch mit der ganzen Familie, alle die mir so wichtig sind, waren da. Der Tag war so schön und ich hab ihn so sehr genossen. Robin und ich haben schön geschlemmt! Ich sagte allen, dass wir uns darauf vorbereiten, die nächsten Tage ins Krankenhaus zu gehen. Ich möchte nicht, dass es Robin bei mir schlecht geht. Ihn nur für mich behalten, weil ich ihn gerne auf Ewig bei mir haben würde. Ich hatte eine ganz enge, intensive Beziehung zu ihm, während er in meinem Bauch war.
Einen Freitag war ich wieder mal bei meiner Frauenärztin. Als ich herein kam, meinte eine Arzthelferin am Empfang, wie es denn aussieht, für welche Untersuchungen ich mich entschieden hätte, der Zettel wäre noch nicht bezahlt. Eine andere kam in dem Moment aber dazu und meinte, dass das alles so passt. Das ist alles abgeklärt. Frau Feist kommt zum Babyschauen und das ist mit der Ärztin abgesprochen. Ich mag diese Arzthelferin ganz arg. Sie ist so lieb immer und sie wusste von ganz am Anfang Bescheid. Ihr sagte ich auch am Telefon, dass ich wohl wieder schwanger bin und sie freute sich mit mir. Und sie ist die beste Blutabnehmerin! Ich sagte ihr dann, dass ich heute eine Einweisung ins Krankenhaus abholen möchte, nicht nur Babyschauen. Sie bekam ganz rote Augen und streichelte mir wortlos über die Schulter. Ich sprach dann eine Weile mit meiner Ärztin und sie meinte, dann klärt sie, dass ich morgen gleich ins Krankenhaus gehen kann. Das ging mir dann plötzlich doch zu schnell. Sie erreichte aber auch niemanden mehr im Krankenhaus um das abzuklären. Wir sagten dann Dienstag. Mama und ich kauften dann noch kleine schöne Tücher, in die wir Robin einwickeln können, wenn er da ist. In den normalen Tüchern vom Krankenhaus würde er untergehen und nicht schön eingewickelt werden können. Wir kauften alles was wir dachten, das wir für die Geburt brauchen könnten und auch vorbereitet wären, wenn wir es wieder alleine, ohne Hebamme machten. Ich hatte mich doch gegen die Hausgeburt entschieden, aus Rücksicht auf Micha und Mama. Sie konnten sich das überhaupt nicht vorstellen, hatten Angst davor und wollten nicht immer wenn sie unsere Wohnung betreten, die Bilder der Geburt vor Augen haben. Mama versprach mir aber, dass wir es auch im Krankenhaus schön machen werden und alles gut werden wird. Mama wusch die Tücher für Robin mit einem Lavendelwaschmittel, sie rochen so gut, überhaupt nicht nach Krankenhaus.
Ich hatte Online Stoff gekauft, aus dem ich noch Sachen für Robin nähen wollte. Die hätten eigentlich schon längst ankommen sollen. Jetzt war es Freitag. Das Päckchen hätte nur noch Samstag kommen können, aber was wenn nicht? Montag wäre mir zu knapp, falls ich nicht direkt finde, was mir gefällt. Dann hätte ich nichts. Keinen Stoff und keine „Kleidung“ für ihn. Ich wollte unbedingt was selbst machen für ihn. Es war nicht viel, was ich für Robin tun könnte, deshalb wollte ich das unbedingt machen. Ich hatte schon eine kleine Decke gehäkelt und Mama hatte auch etwas für ihn gestrickt, aber ich wollte ihm unbedingt etwas nähen. Also bin ich los, Stoff kaufen, aus dem ich ihm etwas machen werde. Ich stand in dem Stoffladen, in dem ich schon so oft eingekauft hatte. Ich wollte etwas süßes, für Babys, nicht zu „jungenhaft“, eigentlich neutral. Ich hatte ganz genaue Vorstellungen und es sollte perfekt sein. Zwei Stunden lief ich schon durch den Laden, hatte mir alle Stoffe angeschaut, aber nichts war so wie ich es mir vorstellte!
Das war mir dann auch einfach zu viel! Ich konnte mich nicht entscheiden, das einzige und letzte „Outfit“ für mein Baby. Nichts war perfekt. Nicht für meinen Robin. Eine Verkäuferin fragte mich schon immer wieder, ob sie mir helfen könnte, nach dem ich dann irgendwann auch angefangen hatte zu weinen und mich gar nicht mehr beruhigen konnte, brachte sie mir Taschentücher. Ich rief Mama an und fragte, ob sie mir helfen könnte. Wir haben uns dann erstmal kurz gesetzt und beruhigt und dann doch noch wirklich guten Ersatz gefunden, falls mein Stoff nicht am nächsten Tag noch kommen sollte.
Das letzte gemeinsame Wochenende.
Wir waren bei Mama und Papa zuhause, saßen auf dem Balkon. Meine kleine Schwester war auch da. Robin bewegte sich die ganze Schwangerschaft über sehr viel und ich konnte ihn schon früh spüren. In diesem Moment turnte er auch mal wieder in meinem Bauch herum und trat gegen meine Hand, wenn ich ihn leicht angestupst hatte. Alischa legte ihre Hand auf meinen, mittlerweile schon deutlicher sichtbaren Bauch und wir sprachen mit Robin. Tatsächlich konnte sie Robin in diesem Moment sehr gut treten spüren. Das hat mich so sehr gefreut, dadurch wurde er für sie viel realer und greifbarer. Es sollte ja aber auch nicht mehr lange dauern, bis wir alle ihn sehen können. Ich hatte mir bis hier schon viel Zeit gelassen, mich versucht darauf vorzubereiten. Ich war so glücklich schwanger zu sein und ich wollte gar nicht, dass das endet, auch wenn ich wusste, dass es so kommen muss. Ich tat nichts falsches. Ich war mir bewusst. Trotzdem war ich so unendlich traurig und wollte mein Baby nicht gehen lassen.
Samstag Mittag und meine Onlinebestellung kam tatsächlich noch an! Der Stoff, für den ich mich nach tagelangem Hin und Her dann endgültig entscheiden konnte. So typisch, wie es immer bei mir kommt, nähte ich in der Nacht von Montag auf Dienstag noch alles für Robin. Er bekam eine kleine gelb-orangene Zipfelmütze, in Anlehnung an seinen Bruder, der eine kleine, gelbe, gestrickte Mütze von der Hebamme bekam. So hatte er auf seinem Weg zu seinem Bruder auch ein Andenken an ihn dabei. Aus einem niedlichen, hellblauen Stoff mit Farmtieren darauf, bekam er eine Einschlagdecke, mit kuscheligem, beigen Flausch innen. Darin wird er es auf jeden Fall sehr bequem und warm haben. Ich hatte eine kleine Gedenkbox schon vorbereitet, wo auch alles für das Krankenhaus für Robin drin war. Auf der Box ist MickyMaus darauf. Luis hatte als Kuscheltier und „Pate“ einen kleinen Tabaluga, das war immer mein „Kindheitsheld“. Für Robin hatten wir MickyMaus ausgesucht, weil das Michas Tabaluga war. Ich hab auch eine kleine Micky Maus für Robin und eine für uns besorgt. Micha musste schon seit Tagen mit Robins MickyMaus schlafen, dass sie nach ihm riecht, wenn Robin mit ihr kuscheln kann.
Alles war fürs Krankenhaus vorbereitet. Ich war für Robin bereit.
❤
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