Wehen

Part I

Es ist zwei Uhr nachts und wie so oft in der Schwangerschaft stehe ich auf, um pinkeln zu gehen. Bis dahin hatte ich richtig gut geschlafen, was eher ungewöhnlich war, in dieser Schwangerschaft. Als ich zurück ins Schlafzimmer komme, schaut Micha mich plötzlich an und meinte „Eine schreckliche Nacht heute, oder?“ Eigentlich überhaupt nicht, aber vielleicht war das eine Vorahnung von Micha. Eine Stunde später wache ich von Wehen auf. Ich konnte trotzdem noch gut bis 6 Uhr weiterschlafen, danach war ich einfach wach. Ich „hüpfte“ eine Weile auf meinem Gymnastikball herum und rief vormittags meine Mama an, um ihr mitzuteilen, dass es wohl wirklich los geht.

Zu dem Zeitpunkt war ich total entspannt und hab alles auf mich zu kommen lassen. Ich war total bereit mein Baby kennen zu lernen. Am Nachmittag sind Mama und ich in die Klinik gefahren, in der ich mich vorgestellt hatte, wo wir eine normale Entbindung angehen wollten. Da kamen die Wehen schon im 5-6min Takt.

In der Klinik angekommen wurde erstmal ein CTG geschrieben und ich musste dafür hinliegen. Die Wehen begannen abends zu stagnieren und hatten leider wenig Auswirkung auf den Muttermund. Das Problem war, Baby hatte seinen Kopf immer wieder aus dem Becken gezogen, trotz der Wehen.

Dieser Moment hat mich plötzlich sehr an die anderen drei Entbindungen erinnert. Viele Wehen, die nichts bewirkten, stunden- und tagelange. Die Wehen an sich. Die Geburt stand bevor und ich bekam Angst. Verlustängste. Mir kamen die Erinnerungen, wie ich meine anderen Babys im Krankenhaus zurück lassen musste. Was, wenn was schief geht? Muss ich dieses Baby auch zurück lassen? Wird mir nochmal das Herz rausgerissen und ich alleine gelassen? Ich liebte es mein Baby im Bauch zu haben, immer so nah es geht bei mir. Geschützt und quicklebendig, von mir versorgt. Ich hatte Angst, mir kamen die Tränen und ich konnte mich schwer darauf einlassen und realisieren, dass mein Baby bei mir bleiben wird, auch wenn er geboren ist.

Die Nacht wurde ruhig und wir haben geschlafen.

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2 Jahre Filip

Zwei Jahre seit Filips Geburt.
Zwei Jahre ohne Filip.
Happy Birthday mein Herz 💚 

Heute bin ich endlich wieder schwanger. Obwohl ich mir nichts sehnlicher gewünscht habe, kann ich den Zustand aktuell kaum genießen. Heute an Filips Geburtstag bin ich mit Baby Nr 4 genau so weit, wie ich mit Luis war, als er am 13.07.17 geboren wurde.

Sternenkinder-Geburtstage… man kann es nicht “feiern“. Das Wort an sich schon irgendwie widersprüchlich. 
Sternenkind – ein totes Kind. 
Geburtstag – man zelebriert die Geburt und das Leben. Andere Menschen zum Sternenkindgeburtstag einladen, merkwürdig. Für die eingeladenen. Für die Mama aber vielleicht wichtig.

Nur wenige Menschen denken an Sternenkindergeburtstage. Am aller meisten die Mütter. Sonst kaum jemand. Meine Mama denkt an sie. Jeden Tag. Ich habe praktische Daten für die Geburtstage meiner Kinder bekommen. Jeden Tag um 13:07, um 16:12 und um 18:03 Uhr schickt Mama mir Herzen in den Farben, die ich mit meinen Babys verbinde. 💛🧡💚

Ich kann nicht damit „abschliessen“. Ich kann nicht meine Babys abhaken. Sie sind und bleiben immer meine Babys und die Geburts- und Todestage sind immer in meinen Gedanken. Sie sind schmerzhaft, anstrengend und trotzdem möchte und kann ich nicht aufhören daran zu denken. Das ist alles, was mir von ihnen geblieben ist, neben ihren Urnen. Die Erinnerung. Auch schmerzhafte Erinnerung. Aber auch die Gedanken an die schönen Momente der Schwangerschaft, der Moment sein Baby zu sehen, wie wunderbar sie waren…

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Filip

Ich pack es nicht.

Eigentlich wollte ich etwas für mein Baby zum Geburtstag schreiben. Aber ich packe es nicht. Ich hab keine Kraft. Seit einem Jahr, keine Kraft. Ich mache jetzt Crossfit, fühl mich schon fitter, kann schon mehr Gewicht heben und tragen, mehr Push ups und Sit ups machen, mehr Burpees am Stück, aber ich habe trotzdem keine Kraft mehr. Ich arbeite weniger, obwohl wir das Geld gut brauchen könnten. Doch ich schaff nicht mehr. Ein Jahr ist vergangen, das jetzige Jahr schon wieder fast vorbei. Damals dachte ich, würde heute ganz anders aussehen. Doch gefühlt ist mir nur die Zeit vergangen und verändert hat sich nichts. Ich bin nicht schwanger und ich habe keine Kinder hier bei mir. Micha sitzt noch im Rollstuhl und das wird auch so bleiben, die Sehnsucht endlich richtig Mama zu sein, hat hoffentlich irgendwann ein Ende.

Eigentlich hatte ich vor langer Zeit geplant einen Geburtsbericht von Filip heute zu seinem Genurtstag zu veröffentlichen, aber ich lieg im Bett, schau mir seine Bilder an, lese die Nachrichtenverläufe von damals durch und weine. Ich schreibe ein Wort und lösche es.

Zurück zu den Bildern. Unglaublich, wie hübsch du bist…

Dann zu den Nachrichten, die ich bekommen und geschrieben habe im Krankenhaus, Papa schickte eine Sprachnachricht

„Wie sieht’s aus, geht’s voran? Ich denk an euch. *kussschmatzergeräusch* Ich habe heute die Weihnachtsdeko aufgestellt“

Es ist der erster Geburtstag.

Schon.

Oder der Jahrestag.

Heute vor einem Jahr ist mein dritter Sohn gestorben. Und geboren. Beides am selben Tag nur 4 Stunden nacheinander.

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