Schwangerschaft mit Robin (1)

Nach der Entbindung von Luis wollte ich schnell wieder schwanger werden. Wir hatten viel darüber nachgedacht und Nächte lang darüber gesprochen, wir wollten es noch einmal auf dem natürlichen Wege versuchen.

In unseren Flitterwochen, als ich mit Luis schwanger war, wollte ich Micha zeigen, wie viel 25% eigentlich sind. Er war sich so sicher, dass alles gut werden würde. Ich bereitete vier Zettel vor, auf einem war ein X. Er sollte einen ziehen und natürlich zog er zufälliger Weise genau diesen, mit dem X. Genau die 25% wie sie bei uns auch passieren könnten. Ich sagte ihm „Genau so ist es! Bestimmt haben wir das „Glück“ auch die 25% zu bekommen! Ich weiß, dass es so kommen wird.“ Um mich aufzumuntern machte er dieses Spiel noch drei mal und jedes weitere mal zog er nicht das X, er sagte mir, dass alles Gut werden würde, es war einfach Zufall, dass er beim ersten Mal das X gezogen hat. Das war es natürlich auch, aber genau so, war es Zufall, dass wir bei der ersten Schwangerschaft „das X“ gezogen haben. Wir dachten, vielleicht ist das ein Zeichen gewesen, die erste Schwangerschaft sollte nicht gut enden, aber alle weiteren werden es. Das hatte ich mir gewünscht, mich an so einem doofen Glücksspiel festgehalten. Jetzt werden die 75% kommen….Meine Frauenärztin riet mir, drei Zyklen nach der Entbindung abzuwarten, dass sich mein Körper erstmal wieder „in Normalzustand“ bringen kann, bevor ich wieder versuche schwanger zu werden. Der erste Zyklus kam genau nach 4 Wochen. Die anderen zwei, dauerten beide jeweils sechs Wochen, so war mein Zyklus eigentlich immer. Dann war also der vierte Zyklus. Wir dürften wieder schwanger werden. In Diesem spürte ich zum ersten Mal keinen Eisprung. Eigentlich hatte ich ihn immer gut bestimmen können, begleitet von starkem Mittelschmerz. Natürlich, genau jetzt war das nicht so. Warum muss das jetzt sein, dass ich meinen Zyklus nicht einschätzen kann. Egal, das war der erste Versuch, dachte ich mir und wir hatten es ja eigentlich nicht eilig. Es vergingen 8 Wochen und ich regte mich schon auf, dass meine Periode sich so sehr verspätete und ich las im Internet, dass bei einigen Frauen in meiner Situation (Entbindung in früher bis mittlerer Schwangerschaft), der Zyklus sich anfangs sehr verlängerte und sehr unregelmäßig war.

Ende November 2017

Dann war es so weit. Ich wusste, meine Periode lässt nicht auf sich warten, sie wird nicht kommen! Ich träumte schwanger zu sein und ich habe es gespürt. Am nächsten Morgen machte ich direkt einen Test, als Micha arbeiten war. Er war, sehr schwach zu sehen, positiv! Direkt wieder gegoogelt, was das heißt. Im meinem Lieblingsforum hieß es „Sobald etwas zu sehen ist, ist es positiv, egal ob leicht oder stark“. Erstmal eine Nacht abgewartet und morgens noch einen Test gemacht. Deutlicher positiv, dennoch nicht sehr stark. Dann hab ich meine Frauenärztin angerufen und die Sprechstundenhilfe gefragt, was das zu bedeuten hätte. Sie sagte das gleiche wie die Mädels im Forum.

OH. MEIN. GOTT!!!

Ich bin tatsächlich direkt wieder schwanger geworden!!!
Ich konnte es wirklich nicht glauben und hab direkt noch einen Test gemacht. Drei positive Tests, der zweite Strich wurde von mal zu mal deutlicher. Ich hab es mir so sehr gewünscht und ich bin wirklich direkt wieder schwanger geworden, obwohl der Zyklus so komisch war. Ich konnte unser Glück kaum fassen. Ich wollte es Micha gleich mitteilen. Ich bereitete abends alles vor und war so aufgeregt, bis er endlich zur Tür rein kam. Auf dem Wohnzimmertisch stand eine BurgerKing Tüte mit Chicken Nuggets und einer CapriSonne. In der ersten Schwangerschaft, war das das Einzige das ich Non Stopp hätte essen können und die CapriSonne das Einzige das ich trinken konnte, ohne und direkt nach dem Spucken. Die Chicken Nuggets kann ich heute übrigens nicht mehr riechen, geschweige denn essen..

Er stand in der Tür und war verwundert, warum ich ihn schon in der Türe in Empfang genommen hatte, eigentlich begrüßte er mich sonst immer auf der Couch :-D. Dann lief er ins Wohnzimmer und fragt mich warum ich denn was von BurgerKing geholt hätte, wir wollten doch gesünder essen. Ich sagte ihm, er solle sich setzen und in die Tüte schauen. Er hat es nicht gecheckt. Er hat es einfach nicht gecheckt und nicht im geringsten an eine Schwangerschaftsmitteilung gedacht.

Dann sagte ich ihm „ich bin wieder schwanger“ und er ist total durchgedreht! Er ist mit beiden Armen nach oben gerissen, „jaaa“ schreiend auf mich zu gelaufen und hat mich so fest umarmt! Wir haben uns so unendlich gefreut. Dann ist Micha ein Schritt zurück, hat in den Himmel geschaut und Luis gebeten uns ein Baby zu schenken, dass wir bei uns behalten dürfen. Wir haben uns wirklich so sehr gefreut. Die Meisten haben sich genau so für und mit uns gefreut. Meine Eltern reagierten sehr zurückhaltend, sie waren sich unsicher, hatten Angst, dass es kommt wie bei Luis. Ich hab zu meiner Mama gesagt, sie soll sich freuen, alles wird gut, egal wie es kommt und es wird diesmal gut ausgehen.

Jemand meinte „Ich gratuliere dir dann, wenn sicher ist, dass alles gut ist“ Äh.. bitte?! Naja, ok.

Wir freuten uns so sehr und hatten so viel über die Schwangerschaft geredet. Ich wollte die Untersuchung wieder machen, aber ich würde mir diesmal für alles mehr Zeit lassen, wenn es so kommen sollte wie bei Luis. Die Untersuchung war in der 13. Woche. Bis dahin war ich oft bei meiner Frauenärztin, die auch so sehr mit uns hoffte, dass alles gut gehen würde. Wir machten alle 2-3 Wochen einen Ultraschall. Ich schaute mir mein Baby jedes Mal ganz genau an, meine Ärztin auch. Aber wie bei Luis war erstmal alles genau so wie es sein sollte. Ich hatte mir jedes Bild ausdrucken lassen und mitgenommen.

Ich erzählte allen freudig, dass ich wieder schwanger war, diesmal war es von Anfang an kein Geheimnis. Ich versuchte schon mich darauf einzustellen, dass es wieder nur eine kurze gemeinsame Zeit sein könnte und ich wollte jede Sekunde und jedes Detail meiner Schwangerschaft so sehr genießen wie ich konnte. Alle durften es wissen und sich mit uns freuen. Ich wollte diesmal von Anfang an alles besser machen. Ich war so traurig, dass die meisten Freunde und Verwandten von Luis erst erfahren hatten, als alles vorbei war. Diesmal nicht. Und ich wusste, dass meine Familie die sich so sehr mit uns gefreut hatte, auch in schwerer Zeit dann genauso mit uns getrauert hätte. Das wollte ich. Dass sich viele Menschen auf mein Baby freuen. Dass er weiß dass er sehr erwünscht und gewollt ist. Auch wenn ich versuchte mich darauf einzustellen und vorzubereiten, bereitete ich mich am meisten auf ein gesundes Baby vor, das ich in der 40. Woche zur Welt bringe und etwas später aus dem Krankenhaus mit nach Hause nehmen könnte.

Wir hatten mit meiner Ärztin einen festen Termin ausgemacht, um nicht dieses schlimme „warten auf den Anruf“ zu haben. Das Ergebnis dauert 10-14 Tage. Also sagten wir, am 14. Tag kommen wir in die Praxis. Das stand extra fett in der Akte
>> NICHT ANRUFEN!! Egal wie das Ergebnis ist! Nicht anrufen<<
Bei der Untersuchung bei Luis hieß es, bei positivem Ergebnis bekommt man am Telefon bescheid, bei negativem würde man in die Praxis bestellt werden. Also wusste man direkt, wenn man keine positiven Nachrichten am Telefon bekommt, sind die Ergebnisse negativ. Den Sinn dahinter hab ich nicht ganz verstanden und deshalb wollte ich den Termin, um nicht schon vorher zu wissen, was sie mir sagen und am Boden zerstört noch in die Frauenarzt-Praxis zu kommen, wo womöglich noch schwangere Frauen sitzen.

Donnerstag, 8. Februar, 11 Uhr, Tag 11

Ein Arzt aus der Gemeinschaftspraxis meiner Frauenärztin versucht mich telefonisch zu erreichen. Ich sehe diesen verpassten Anruf auf meinem Handy in der Frühstückspause bei der Arbeit. Ich bekomme schon Herzklopfen und drehe wirklich durch. Ich frag meinen Chef „Warum rufen die mich an?? Warum? Die sollten nicht anrufen! Niemand sollte mich von denen anrufen! Daniel ich dreh durch! Ich bekomm keine Luft mehr!“ Er meinte, ach das wird bestimmt alles gut sein und die dachten sich, warum dann noch länger warten auf das Ergebnis. „Nein! Dann hätten sie das am Telefon gesagt, ich weiss das. Es sind wieder die 25% Daniel! Das kann nicht wahr sein. Das muss ein schlechter Traum sein, weck mich auf Daniel! Was mach ich jetzt? Warum hat er nicht gesagt warum ich in die Praxis kommen soll? Ich hab ihm gesagt, dass wir Montag den Termin ausgemacht haben!“

Ich drehe nicht nur innerlich durch. Mir kamen direkt die Tränen, schon als ich zurück gerufen hatte und der Arzt am Telefon war. Ich weiß, was er sich nicht getraut hatte, mir zu sagen. Ich konnte nicht mehr atmen und ich konnte nicht mehr denken. Völlig neben mir setzte ich mich an die Nähmaschine, wusste gar nicht was ich da tun sollte. Ich dachte, jetzt hat doch alles keinen Sinn mehr. Was mach ich hier noch?
Ich wollte mich doch so gut auf diesen Moment vorbereiten, aber dieser sollte wenn, dann erst Montag um 14 Uhr sein und nicht jetzt. Wozu hatten wir den Termin ausgemacht? Ich wurde so wütend, dass der Arzt sich nicht daran gehalten hatte und die Wut lenkte mich kurz von dem Schock ab. Ich hing mich richtig darauf auf, mich über diesen blöden Arzt aufzuregen (der Arzt ist eigentlich wirklich ganz arg toll), warum er mir jetzt den Tag so versaut?! Das dachte ich in dem Moment wirklich. Jetzt könnte ich wegen ihm heute nicht mehr arbeiten. Und das ging wirklich nicht. Ich bin heim gegangen. Ich wollte zu meiner Mama, da Micha im Geschäft war. Bis 17 Uhr mussten wir warten, da sollten wir in der Praxis sein. Mein Papa war sich sicher, dass wir danach feiern würden und der Arzt uns gute Nachrichten übermittelt. Er versuchte mich aufzumuntern. Ich wusste, dass es nicht so sein würde.

Wir holten Micha am Bahnhof ab und gingen gemeinsam in die Praxis, die eigentlich schon zu hatte und deshalb niemand ausser uns im Wartezimmer saß. Als wir dann ins Behandlungszimmer gerufen wurden, sahen wir schon den Arzt in der Türe stehen. Kopf schüttelnd die Hände vor seinem Gesicht. So lieb er auch ist, er hat kein Pokerface. Ich schaute zu Micha, auch er hatte das gesehen und er meinte

„Nein, das kann nicht sein“

„Liebe Familie Feist… setzten sie sich. Es tut mir wirklich leid. Ich kann es selbst kaum glauben, ihr zweites Kind hat ebenfalls die homozygote Variante der Achondroplasie. Es sind doch nur 25% und dass diese ein zweites Mal auftreten, kann man sich nicht vorstellen, aber das ist das Zufallsprinzip“

„Ok, danke. Wissen sie ob es ein Junge ist? Sind sie dann fertig? Ich möchte gehen.“

„Ja es ist ein Junge“

„Ich wusste das. Danke. Auf Wiedersehen“

„Wissen Sie denn schon wie sie jetzt fortfahren möchten? Kann ich noch etwas für sie tun? Ich hab ihnen schon eine Termin im Genetikum ausgemacht, dort müssten sie wieder hin, falls sie die Schwangerschaft beenden möchten. Aber das kennen Sie ja schon.“

„Ich möchte jetzt nach Hause. Mama, setzt du Micha und mich bitte zuhause ab?“

„Nein ihr kommt mit zu uns, ich setz‘ euch jetzt nicht Zuhause ab“

„Doch ich geh jetzt nach Hause. Entweder fahrt ihr uns oder wir laufen oder fahren mit dem Bus“

„Ruf mich bitte an, wenn irgendwas ist oder wir euch holen sollen Micha!“

Da war es nun. Wir haben uns auf’s Bett gelegt und die Decke angestarrt. Jetzt wussten wir, dass auch unser zweites Baby nicht bei uns bleiben kann. Ich drehte mich zu Micha und starrte ihn schweigend an. Er drehte sich zu mir und meinte „Dann ist der Luis nicht mehr alleine. Und die zwei haben sich“

Wir weinten.

Wir weinten, ich hielt mich so fest ich konnte an Micha fest und er fragte die ganze Zeit „Warum?“, „Das kann doch nicht wahr sein! Weck mich aus diesem Albtraum auf Nadine!! Wann wachen wir wieder auf und alles ist gut?“

Ich möchte mir meine Zeit nehmen. Ich möchte meinem Baby noch Zeit geben. Ich möchte ihm so viel Zeit geben, wie ich kann. Wir werden diesmal nichts schnell schnell machen. Ich genieße die Zeit noch. Ich genieße die Schwangerschaft noch. Solange es mir und meinem Baby gut geht, werde ich nichts ändern. Ich bin total bei mir. Ich hab Micha gesagt, dass das letztes Mal das schlimmste war, dass alles so schnell ging, das das der Grund war, warum ich letztes mal fast daran kaputt gegangen wäre. Er ist bei mir. Er unterstützt mich und geht meinen Weg mit mir. Wir geben uns drei noch Zeit. Wir halten uns gegenseitig.

Später sind wir noch zu meinen Eltern gefahren. Wir saßen da und ich hab ihnen gesagt, dass wir uns noch Zeit nehmen. Sie haben das nicht verstanden. Sie meinten, ich würde das Übel nur vor mir her schieben und je länger ich warten würde, desto schwerer würde es werden. Ich sah das nicht so. Und niemand kann das so gut wissen wie ich, ob ich das richtige tue oder nicht, denn nur Ich habe genau diese Situation schon einmal erlebt. Ich weiß wie es letztes Mal für mich nicht das richtige war und diesmal möchte ich es anders machen. Ich bin in dieser Situation zum zweiten Mal. Nur ich. Niemand aus meiner Familie hat ähnliches nur annähernd durchgemacht. Zum Glück! Ich bin froh dass sie das nicht durch machen mussten, das wünsche ich nicht meinem ärgsten Feind. Als wir da saßen, fragte Papa, ob wir denn einen Namen hätten, nachdem wir jetzt sicher wissen, dass ein Junge ist. Ich mochte den Namen Robin sehr und Micha hat er auch gefallen. Meine Mama wollte nach ihrem ersten Sohn ihr zweites Kind unbedingt Robin nennen, bekam dann aber drei Mädchen. Also bekam sie ihren Robin nicht. Mein erster bester Freund als Kind hieß Robin und er war ein richtig guter Freund. Besser als alle Jungs in seinem Alter. Wir gingen gemeinsam ins Kinderturnen. Und ich wollte mein Baby, nachdem Luis ja schon vergeben war, Robin nennen. Leider war ich in der Pubertät ein ziemliches Biest und hab die Freundschaft zu ihm, weil er jünger war als ich (was für ein dummer Grund) aufs Spiel gesetzt.
//Sorry Robin, falls du das liest, es tut mir sooo leid!!! Du warst der Beste und ich war so dumm!!//

Also nehme ich mir meine Zeit, bis Robin und ich bereit sind.

5 Gedanken zu “Schwangerschaft mit Robin (1)

  1. Sorry aber ich habe null verständniss dafür das du deine kinder leiden lassen hast und nur an dich und dein Wille „ich will ein Kind egal wie“ dafür sollte man kein Verständnis haben. Du wusstest das die Chance so gering ist ein Kind zu bekommen gerade mit michael seinen gendedekt! Bitte hör auf und lass arme babies nicht leiden nur für deine Bedürfnisse!

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    • Hallo Enzo.
      Ich wusste, bevor ich diesen Blog veröffentlichte, dass nicht jeder Verständnis für meine Situation haben würde. Das ist auch ok, ich brauch dein Verständnis nicht. Ich merke, dass du nicht so viel Anhnung hast, wie du meinst. Meine Kinder habe ich nicht eine Sekunde leiden lassen. Es ging ihnen in jeder Sekunde ihres kurzen Lebens gut. Deshalb war ihr Leben so kurz. Ich habe sie nicht für mich am Leben gehalten. Den Gendefekt von Micha kannst du nicht sehr gut kennen, denn sonst wüsstest du, das das kein Grund ist warum seine Kinder leiden sollten.
      Ich wünsche dir unbekannter weise einen schönen Sonntag.
      Nadine

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