Ich bin (die) Mama!

TW verstorbene Babys

Ich bin Mama seit 2017. 2017 hab ich meinen ersten Sohn geboren. Er starb während der Geburt und die Schwangerschaft dauerte auch nur 17 Wochen. Es war kaum sichtbar, dass ich schwanger war. Aber ich hatte doch ein Baby geboren. Niemand sah mich als Mama. Ich fühlte mich selten wie eine Mama. Ich hatte nicht die Aufgaben und den Job einer Mama. Kein Kind war da, das mich Mama rief. 2018 wurde ich noch zwei mal Mama. Die Schwangerschaften waren länger, man sah, dass ich schwanger war. Ich gebar meinen zweiten und meinen dritten Sohn. Doch beide starben wenige Stunden nach ihrer Geburt. Ich hatte nun schon drei Jungs geboren und drei Schwangerschaften erlebt, doch niemand sah meine Kinder – sie waren ja nicht da. Ich war immer noch nicht richtig Mama.

2021 nach über 9 Monaten Schwangerschaft gebar ich endlich meinen vierten Sohn. Mein Baby! Alle konnten ihn sehen, er blieb bei uns und kam mit uns nach Hause. Jetzt ging das Mama sein richtig los. Schlaflose Nächte, stundenlanges Tragen und Schaukeln, er lebte an meiner Brust. Letztendlich hab ich ihn 20 Monate gestillt. Ich hab ihn ernährt, durch meinen Körper. Ich hab ihn durchs erste Lebensjahr gebracht und jetzt feiern wir ganz bald seinen zweiten Geburtstag. So richtig, mit Freunden, Familie und anderen Kinder. Und keiner fragt – was feiern wir heute – wie alt wäre dein Baby jetzt eigentlich – wer hat jetzt heute Geburtstag?

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Trauma

Es scheint die Sonne, das Wetter ist schön. Ich packe Baby und mich gut ein und wir gehen raus spazieren. Kurz bevor wir wieder daheim sind, schläft der Kleine ein. Ich setz mich mit ihm auf die Terrasse und lass ihn noch an der frischen Luft schlafen.

Ein und halb Stunden später wacht er auf, ich nehme ich raus und kuschel mit ihm, während er richtig wach wird.

Seine süßen Bäckchen und die Stupsnase sind ganz kalt. Ich streichel mit meinen Lippen über seine kalte Wange und Küsse ihn. Plötzlich muss ich an meine drei Babys denken, die nicht mehr da sind. Die kalte Haut, der Geruch seiner kalter Babyhaut erinnert mich an meine drei Jungs. Und es macht mir Angst.

Ich liebe es Baby beim Schlafen zu beobachten, ich könnte ihn Stunden lang anschauen. Beim einschlafen aber, hoffe ich immer, dass er schnell schläft. Der Moment des einschlafen löst Panik in mir aus. Ich kann mir nicht anschauen, wie seine Augen immer wieder zu fallen und dann irgendwann trotz großem Widerstand zu gehen. Seine Brüder hatten die Augen nie offen, sind aber eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht.

Bevor Baby da war, wusste ich gar nicht, wie traumatisiert ich von meinen drei Sternenkindern bin. Ich dachte immer, ich komme gut klar. Seit Baby aber da ist, ist es doch schwerer mit den Verlusten umzugehen, als ich dachte. Ich dachte mit einem „gesunden“ Baby ist alles gut und „vergessen“.

Während mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft, wenn ich die kalte Haut rieche, ist es komischerweise gleichzeitig auch super schön, den verloren geglaubten Geruch meiner drei Jungs riechen zu können.

Wehen

Part I

Es ist zwei Uhr nachts und wie so oft in der Schwangerschaft stehe ich auf, um pinkeln zu gehen. Bis dahin hatte ich richtig gut geschlafen, was eher ungewöhnlich war, in dieser Schwangerschaft. Als ich zurück ins Schlafzimmer komme, schaut Micha mich plötzlich an und meinte „Eine schreckliche Nacht heute, oder?“ Eigentlich überhaupt nicht, aber vielleicht war das eine Vorahnung von Micha. Eine Stunde später wache ich von Wehen auf. Ich konnte trotzdem noch gut bis 6 Uhr weiterschlafen, danach war ich einfach wach. Ich „hüpfte“ eine Weile auf meinem Gymnastikball herum und rief vormittags meine Mama an, um ihr mitzuteilen, dass es wohl wirklich los geht.

Zu dem Zeitpunkt war ich total entspannt und hab alles auf mich zu kommen lassen. Ich war total bereit mein Baby kennen zu lernen. Am Nachmittag sind Mama und ich in die Klinik gefahren, in der ich mich vorgestellt hatte, wo wir eine normale Entbindung angehen wollten. Da kamen die Wehen schon im 5-6min Takt.

In der Klinik angekommen wurde erstmal ein CTG geschrieben und ich musste dafür hinliegen. Die Wehen begannen abends zu stagnieren und hatten leider wenig Auswirkung auf den Muttermund. Das Problem war, Baby hatte seinen Kopf immer wieder aus dem Becken gezogen, trotz der Wehen.

Dieser Moment hat mich plötzlich sehr an die anderen drei Entbindungen erinnert. Viele Wehen, die nichts bewirkten, stunden- und tagelange. Die Wehen an sich. Die Geburt stand bevor und ich bekam Angst. Verlustängste. Mir kamen die Erinnerungen, wie ich meine anderen Babys im Krankenhaus zurück lassen musste. Was, wenn was schief geht? Muss ich dieses Baby auch zurück lassen? Wird mir nochmal das Herz rausgerissen und ich alleine gelassen? Ich liebte es mein Baby im Bauch zu haben, immer so nah es geht bei mir. Geschützt und quicklebendig, von mir versorgt. Ich hatte Angst, mir kamen die Tränen und ich konnte mich schwer darauf einlassen und realisieren, dass mein Baby bei mir bleiben wird, auch wenn er geboren ist.

Die Nacht wurde ruhig und wir haben geschlafen.

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2 Jahre Filip

Zwei Jahre seit Filips Geburt.
Zwei Jahre ohne Filip.
Happy Birthday mein Herz 💚 

Heute bin ich endlich wieder schwanger. Obwohl ich mir nichts sehnlicher gewünscht habe, kann ich den Zustand aktuell kaum genießen. Heute an Filips Geburtstag bin ich mit Baby Nr 4 genau so weit, wie ich mit Luis war, als er am 13.07.17 geboren wurde.

Sternenkinder-Geburtstage… man kann es nicht “feiern“. Das Wort an sich schon irgendwie widersprüchlich. 
Sternenkind – ein totes Kind. 
Geburtstag – man zelebriert die Geburt und das Leben. Andere Menschen zum Sternenkindgeburtstag einladen, merkwürdig. Für die eingeladenen. Für die Mama aber vielleicht wichtig.

Nur wenige Menschen denken an Sternenkindergeburtstage. Am aller meisten die Mütter. Sonst kaum jemand. Meine Mama denkt an sie. Jeden Tag. Ich habe praktische Daten für die Geburtstage meiner Kinder bekommen. Jeden Tag um 13:07, um 16:12 und um 18:03 Uhr schickt Mama mir Herzen in den Farben, die ich mit meinen Babys verbinde. 💛🧡💚

Ich kann nicht damit „abschliessen“. Ich kann nicht meine Babys abhaken. Sie sind und bleiben immer meine Babys und die Geburts- und Todestage sind immer in meinen Gedanken. Sie sind schmerzhaft, anstrengend und trotzdem möchte und kann ich nicht aufhören daran zu denken. Das ist alles, was mir von ihnen geblieben ist, neben ihren Urnen. Die Erinnerung. Auch schmerzhafte Erinnerung. Aber auch die Gedanken an die schönen Momente der Schwangerschaft, der Moment sein Baby zu sehen, wie wunderbar sie waren…

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Ein neuer Tag

2019 endet. 2020 beginnt.

Ein Tag endet. Ein neuer Tag beginnt.

In Jahren denke ich, 2017, 2018 und 2019 waren scheisse. Hart. Schwer. Was wird nur aus 2020. Dieses Jahr dachte ich, ok, dann halt Nächstes. Jetzt ist nächstes Jahr. Die Erfüllung des Kinderwunsches noch nicht in Sicht. Wird es noch ein 2020 Baby? Keine Ahnung. Wir müssen warten. 2019 sagten wir, ach 2020 wird dann ein schönes Geburtsjahr, ist eine schöne Zahl. Man sucht irgendwas Positives. Weiterlesen »

Filip

Ich pack es nicht.

Eigentlich wollte ich etwas für mein Baby zum Geburtstag schreiben. Aber ich packe es nicht. Ich hab keine Kraft. Seit einem Jahr, keine Kraft. Ich mache jetzt Crossfit, fühl mich schon fitter, kann schon mehr Gewicht heben und tragen, mehr Push ups und Sit ups machen, mehr Burpees am Stück, aber ich habe trotzdem keine Kraft mehr. Ich arbeite weniger, obwohl wir das Geld gut brauchen könnten. Doch ich schaff nicht mehr. Ein Jahr ist vergangen, das jetzige Jahr schon wieder fast vorbei. Damals dachte ich, würde heute ganz anders aussehen. Doch gefühlt ist mir nur die Zeit vergangen und verändert hat sich nichts. Ich bin nicht schwanger und ich habe keine Kinder hier bei mir. Micha sitzt noch im Rollstuhl und das wird auch so bleiben, die Sehnsucht endlich richtig Mama zu sein, hat hoffentlich irgendwann ein Ende.

Eigentlich hatte ich vor langer Zeit geplant einen Geburtsbericht von Filip heute zu seinem Genurtstag zu veröffentlichen, aber ich lieg im Bett, schau mir seine Bilder an, lese die Nachrichtenverläufe von damals durch und weine. Ich schreibe ein Wort und lösche es.

Zurück zu den Bildern. Unglaublich, wie hübsch du bist…

Dann zu den Nachrichten, die ich bekommen und geschrieben habe im Krankenhaus, Papa schickte eine Sprachnachricht

„Wie sieht’s aus, geht’s voran? Ich denk an euch. *kussschmatzergeräusch* Ich habe heute die Weihnachtsdeko aufgestellt“

Es ist der erster Geburtstag.

Schon.

Oder der Jahrestag.

Heute vor einem Jahr ist mein dritter Sohn gestorben. Und geboren. Beides am selben Tag nur 4 Stunden nacheinander.

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November

Für Micha

Fünfter November.

2018.

Ein Jahr her.

Ein Jahr, das so schwer war. Vorallem für dich, Micha. Für mich, zu sehen, wie schwer es für dich ist. Ein Rückschlag nach dem Anderen. Dreizehn Stunden Op, aufwachen und die Beine nicht spüren. Intensivstation, beatmet – kannst nicht sprechen, Dich nicht ausdrücken, wirst nicht verstanden.

Freiburg

Im Krankenhaus fühlst du dich nicht wohl, nicht ernstgenommen. Das Personal ist unfreundlich, wir werden ignoriert. Schlechte Wundheilung. Du bekommst Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit, starke Kopf- und Nackenschmerzen – Hirnhautentzündung.

Fast fünf Wochen Krankenhausaufenthalt, Personal mittlerweile ganz gut ausgecheckt und auch nettes gefunden. Warten auf einen Rehaplatz. Immerhin die beste Pizza der Welt entdeckt und genossen.Weiterlesen »

Beklemmend

Ich sitze beim Frauenarzt im Wartezimmer.

Das Gefühl ist sehr beklemmend. Ich sitze nicht auf meinem „Stammplatz“. Ich schau den Stuhl an und habe das Gefühl mich selbst dort sitzen sehen zu können. Wie ich gewartet habe. Jedes Mal. Drei mal vor der Untersuchung, noch voller Hoffnung, angespannt vor der großen Nadel die in meinen Babybauch gerammt wird. Und drei mal nach dem Ergebnis als ich wusste, ich kann meine Babys nicht behalten.Weiterlesen »

Happy Birthday Robin

Happy Birthday Robin 🧡

Wahnsinn, schon ein Jahr her. So viel ist in der Zwischenzeit passiert. Dein erster Geburtstag. Mama denkt seit Tagen nur an dich. Wir werden Kuchen auf dich essen und an dich denken. Kein großer Kindergeburtstag, aber nicht weniger wertvoll. Es fühlt sich wie gestern an, als ich dich Sonntag Mittag in meinen Händen hielt. So wunderbar, stark und einfach perfekt. Mein hübscher großer Junge.

Du bist in meinen Träumen. Du läufst schon und es geht dir gut. Ich frag mich immer wieder, warum du nicht bei mir bist. Ich kann an nichts anderes denken. Heute ist dein erster Geburtstag, leider feiern wir keine große Party für dich! Es tut mir leid.

Zur Zeit läuft alles nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich wollte einen Kindergeburtstag mit David, Alex, Mili und Henni für dich feiern. Luftballons steigen lassen, Kuchen essen und einen schönen Tag für die Kinder in deinem Namen machen. Weiterlesen »

Trauer

Trauer hat verschiedene Gesichter.

Die meiste Zeit muss man mit ihr im Hintergrund leben.

Manchmal gibt es Tage, an denen sie dich nicht aus dem Bett aufstehen lässt, dich in der Nacht zerfressen hat. Der Schmerz ist unerträglich, der Verlust fühlt sich unendlich an. Träume zeigen, was man vermisst, was fehlt. Ich träume von meinem Baby, wie ich es stille. In meinem Traum denke ich

„Oh Filip, ich glaube wir machen das gut, wir sind ein gutes Team! Es fühlt sich gut an, sein Baby versorgen zu können und es klappt so gut! Du bist schon so groß geworden, ohne dass ich das mitbekommen habe..“

Als ich aufgewacht bin dachte ich mir, ich hätte das bestimmt wirklich gut gemacht und ich hätte es so gerne getan…

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