November

Für Micha

Fünfter November.

2018.

Ein Jahr her.

Ein Jahr, das so schwer war. Vorallem für dich, Micha. Für mich, zu sehen, wie schwer es für dich ist. Ein Rückschlag nach dem Anderen. Dreizehn Stunden Op, aufwachen und die Beine nicht spüren. Intensivstation, beatmet – kannst nicht sprechen, Dich nicht ausdrücken, wirst nicht verstanden.

Freiburg

Im Krankenhaus fühlst du dich nicht wohl, nicht ernstgenommen. Das Personal ist unfreundlich, wir werden ignoriert. Schlechte Wundheilung. Du bekommst Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit, starke Kopf- und Nackenschmerzen – Hirnhautentzündung.

Fast fünf Wochen Krankenhausaufenthalt, Personal mittlerweile ganz gut ausgecheckt und auch nettes gefunden. Warten auf einen Rehaplatz. Immerhin die beste Pizza der Welt entdeckt und genossen.Endlich die Verlegung in eine Reha. Angekommen und zwei Tage später wieder zurück geschickt, die Wunde schon wieder offen, Hirnwasser tritt aus. Das alles noch vor Weihnachten.

Raum Stuttgart

Mitte Dezember. Du kommst in die Reha, ich ins Krankenhaus.

Kurzer nächtlicher Besuch von deinem in der Zwischenzeit geborenen Filip. Eingewickelt in viele Tücher, trotzdem schon ganz kalt, konntest ihn nicht lebend sehen.

Nach den Feiertagen und der Urlaubsphase geht es endlich los mit der Rehabilitation. Wir merken, es ist nicht die Richtige für dich. Therapeuten sind überfordert, ratlos, das Zentrum nicht für Querschnittslähmung ausgestattet. Warum schreiben sie das auf ihrer Seite und warum nehmen sie Patienten auf, die sie nicht richtig behandeln können? Geld!

Weihnachten, Filips Geburt, Neujahr, dein Geburtstag, mein Geburtstag. Die ganze Zeit in Krankenhäusern und Rehazentren.

Monate vergehen, hauptsächlich im Bett liegend. Verlegung beantragt, Bürokratie… es tut sich kaum was. Weder mit der Bürokratie, noch in deinen Beinen.

Tübingen

Verlegung zur Experten. Zwar ein Krankenhaus, was sich im ersten Moment wie ein Rückschritt anfühlte, aber mal ein Einzelzimmer. Die Therapie ist gut. Du fühlst dich gut aufgehoben. Super viel Therapie! Mittlerweile zieht es sich dennoch. Zu lange schon nicht mehr zuhause. Die Wohnung schon ewig nicht mehr gesehen. Du hast den Krankenhausgeruch so sehr angenommen, dass der eigentlich beklemmende Geruch fast heimelig geworden ist. Du findest schon fast Freunde in den Therapeuten und Leidgenossen in Tübingen, dann sagt die Krankenkasse, dass dort Schluss ist, du musst wieder weiter ziehen. Auf zur nächsten Station.

Bad Wildbad

Eine gute Station für Rollstuhlfahrer. Bekommst in der Stadt etwas Freiheit zurück, etwas Normalität in sehr geschütztem Rahmen. In den Lokalen der Stadt, schmeckt es dir, endlich sehe ich dich mal wieder etwas genießen.

Viel Input für organisatorisches, das so einfach sein könnte, wenn es nicht so eine blöde Bürokratie wäre. Viele Anträge werden dort gestellt, mit deren Hilfe, niemals hätte man vermutet, dass du selbst für einen Rollstuhl („Warum tuts denn kein Standart?“) noch lange und hart kämpfen werden musst („Ach sie sind kleinwüchsig, ja das wussten wir nicht“ „Wie, das wurde schon mehrfach mitgeteilt, dass sie kleinwüchsig sind, bis zu mir kam das nicht“).

Dann tatsächlich irgendwann die Heimkehr! Ich bin in der Zwischenzeit umgezogen. In unser neues Zuhause. Größtenteils barrierefrei. So schnell es geht haben wir Versucht, es so barrierefrei wie möglich für dich zu gestalten. Du bist daheim und bist bereit zu arbeiten. Sitzt im Leihrollstuhl und wartest. Die Zusagen der Rentenversicherung fehlt, dass du zur Arbeit kommst. Wochen vergehen. Kleine gesundheitliche Themen, die die Querschnittslähmung mit sich bringen, treten auf. Dreitägiger geplanter Aufenthalt im Krankenhaus. Du kommst zurück und im Briefkasten das Go zur Arbeit! Freude! Vorfreude! Aufgeregt sein! Allen wird Bescheid gesagt. Chef, Kollegen. Keine Stunde später – eine Druckstelle! Sieht nicht gut aus. Direkt die Ärztin informiert. Zwei Wochen liegen! Tapfere zwei Wochen hast du dich wieder ins Bett gelegt.

Dein Rollstuhl ist immernoch nicht da. Der Efix gibt langsam den Geist auf. Und heute jährt sich deine Op, mit den fatalen Folgen zum ersten Mal. Das erste Jahr vorbei.

Es war eine anstrengende Zeit. Ich hab mich nonstop ausheulen und auskotzen können, bei anderen.

Du hast das nicht. Du warst manchmal anstrengend.

Aber hauptsächlich bist tapfer geblieben, hast die Ohren steif gehalten, wolltest, dass ich mir keinen Stress mache, hast nie gesagt, dass du irgendwas brauchst, nichts erwartet, verlangt oder gefordert. Manchmal hats mich wütend gemacht. Micha! Du darfst auch erwarten, du musst nichts einfach hinnehmen, wie es ist. Versuch nicht immer bloß keine Umstände zu machen. Ich, wir, sagen wo unsere Grenzen sind. Du fällst nicht zur Last, du bist ein Mensch, immernoch genauso wertvoll und wichtig wie vorher.

Jetzt geht’s wieder aufwärts. Dieser November bringt gutes. Du kannst endlich arbeiten gehen. Die ersten Tage haben sich angefühlt wie neu, aber wenn du wieder bei dir angekommen bist, in deiner neuen Situation, wirst du wieder ganz der alte sein, nur jetzt mit Rolli statt Roller. Lade deine Kraft und deine Stärken wieder auf und respektiere dich selbst.

Ich liebe Dich ❤️

Ein Gedanke zu “November

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